mein Dusch-Unfall (2009)

In meinen ersten drei Mietwohnungen gab es jeweils eine Badewanne. Aber ich habe noch nie gerne gebadet. Und seitdem ich auf Grund der MS-bedingten Schwindelprobleme die Rückenlage gänzlich vermeide, bade ich gar nicht mehr. Aber eine Badewanne lässt sich prima als Dusche benutzen. Fast noch besser: Dort hat man viel Platz und meist stehen zwei Duschvorhänge zur Verfügung.   

 

Ich dusche mich so, wie wahrscheinlich die meisten Menschen in Mitteleuropa. Also eigentlich dusche ich ganz normal.

 

Normal?? … Was ist normal??   

Laut Definition ist normal  so, wie es allgemein üblich oder gewöhnlich ist. Normales Verhalten entspricht den gesellschaftlichen Normen. Oder umgekehrt: Durch Normen drückt die Gesellschaft ihre Erwartungen bezüglich des Verhaltens eines Individuums aus. Das Gegenteil dieser Erwartungen sind Tabus.   

Schon immer habe ich großen Wert auf Individualität gelegt. Nie wollte ich das tun, was normal  ist. Das war mir stets zu einfach und gewöhnlich. Reizvoll erschienen mir von je her Tabus. Damit habe ich mich vor allem thematisch gerne beschäftigt. Beispielsweise das Thema ‚Prostitution’ im Studium oder auch mein Buch über die ‚Verrufene Zeit’ in Lautzenhausen, von der selbst zwanzig Jahre später nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde.   

Als Jugendliche und junge Erwachsene wollte ich also nie normal sein. Deshalb drängt sich die Frage auf, warum ich einen Text über ein so banales Thema wie das Duschen schreibe. Und zu Beginn dieses Textes sogar betone, dass ich mich ganz normal dusche.

 

Die zweite Bedeutung von normal ist ‚geistig und körperlich gesund‘. Auf Grund meiner MS und der zunehmenden Behinderung falle ich seit der Diagnose definitiv aus dem Raster normal. Dabei wünsche ich mir mittlerweile des Öfteren, normal zu sein. Gerne würde ich mich mit normalen Problemen befassen.   

Die Aussage, dass ich nicht normal bin, belegt die Geschichte “Mein Dusch-Unfall“.

 

Es war im Herbst 2009. Ich hatte 30 Minuten auf meinem Ergometer gestrampelt und war dadurch ordentlich geschwitzt. Also ging ich gleich anschließend ins Badezimmer. Ich machte das Wasser an, zog meine Sportsachen aus und stieg in die Dusch-Wanne unter das warme Wasser. Nachdem Körper und Haare nass waren, stellte ich das Wasser aus. Nun kam das Duschgel zum Einsatz. Fertig eingeseift nahm ich die Brause wieder in die Hand und stellte das Wasser an.   

 

Aber dann: mal wieder machte mein Gleichgewicht Pause.    

 

Ich strauchelte und fiel über den Wannenrand. Im Fallen riss ich die beiden Duschvorhänge mitsamt der Halterung aus der Wand. Die beiden Duschvorhänge, die Vorhangstange inklusive der Schrauben und ich - Alles landete auf dem harten Fliesenboden. Alarmiert durch den Krach stürze mein Freund ins Bad. Er sah das Chaos und stellte sich sofort an, hysterisch zu werden.   

“Ach du Scheiße! Was ist denn passiert? Wo hast du dir weh getan? …“   

 

Mir tat alles weh. Und ich verstand selbst nicht, was da grad passiert war. Zu schnell und unfreiwillig hatte sich meine Lage von vertikal in horizontal geändert. Mal wieder.

Das Einzige, was ich benommen sagen konnte war: „Mach mal das Wasser aus.“

Denn ich hielt noch immer die Brause in der Hand. Das Wasser lief und lief …