Es war noch früh am Morgen. Ich hatte meinen knapp 1-jährigen Sohn geweckt, gewickelt und frisch gemacht. In einer halben Stunde wollten wir zur Krabbelgruppe aufbrechen. Also erledigte ich noch schnell einige Handgriffe im Haushalt, bevor wir die Wohnung verließen. Im Zimmer meines Sohnes stand noch das Fenster offen. Es ist ein Dachfenster mit einem schrägen Holzbalken direkt davor. Als ich mich darüber beugte, um an den Fenstergriff zu greifen, passierte es:
Meine Beine knickten weg und ich konnte mich nicht im Stand halten. Ungebremst knallte ich mit dem Gesicht auf den Holzbalken.
WAM AUTSCH
Nach einem kurzen, benommenen Moment ging ich ins Bad. Dort stellte ich im Spiegel fest, dass außer einer kleinen Platzwunde an der Nasenwurzel keine sichtbaren Zeichen auf den Sturz hindeuteten. Die kleine Wunde blutete ein bisschen und ich klebte ein Pflaster drauf. Ich versuchte zu ignorieren, dass ein Pflaster auf der Nasenwurzel, genau zwischen den Augenbrauen, wirklich bescheuert aussieht. Die anderen Muttis in der Krabbelgruppe grinsten auch ein bisschen über den Anblick.
Aber dann:
Zwei Tage später - als ich den Sturz schon fast vergessen hatte - befand sich unter meinen beiden Augen jeweils ein Veilchen. Grün, blau, rot, lila - eine leuchtende Farbpalette. Mein Papa, der als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr jahrelang Erfahrung im Notfallbereich hatte, meinte:
„Von der Zeichnung sieht es fast so aus, als hättest du einen Nasenbeinbruch.“
„Wähh??“
„Keine Sorge, wenn du einen Nasenbeinbruch hättest, würdest du jetzt hier nicht so sitzen.“
Nun gut. War halt so.
Nicht gut: Die Veilchen waren volle vierzehn Tage zu sehen. Mein Partner wollte schließlich nicht mehr mit mir in die Öffentlichkeit.
„Die Leute schauen mich an, als wäre ich das gewesen. Als hätte ich dich grün und blau geschlagen.“
Ich konnte ihn verstehen, aber mir selbst machte es nicht wirklich was aus. Zumal ich es schon damals gewohnt war, in der Öffentlichkeit angestarrt zu werden.
Bekanntermaßen: Schlimmer geht immer.
Damals war ich noch erwerbstätig. In einem Büro. Zur gleichen Zeit, als ich meine beiden Veilchen hatte, zierte ein dunkelblaues, beinahe schwarzes Hämatom das Auge meines Kollegen. Zusammen sahen wir fast aus wie ein Schlägertrupp. Und das als Büroangestellte. Zwar hatte ich zwei Veilchen und mein Kollege nur eines. Aber meine Veilchen waren deutlich heller. Deshalb gab mir mein Chef den Tipp:
„Sag einfach, dass du gewonnen hast.“