die Impertinente

Im Frühjahr 2007 zog ich in eine andere Stadt um. Am neuen Wohnort suchte ich mir alsbald eine Neurologin (die Hoffnung, meine MS alternativ-medizinisch zu behandeln, hatte sich bereits zerschlagen). Den Termin zur Anamnese bekam ich nach angemessener Wartezeit. An die Praxis kann ich mich zwar kaum noch erinnern, auch das Aussehen der Neurologin ist vor meinem inneren Auge verschwunden. Unvergessen ist allerdings der Gesprächsinhalt dieses Ersttermins.

 

Ich stellte mich und die wenigen Details aus meiner damals noch kurzen MS-Karriere vor. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Neurologin hörte sich meinen Bericht an. Dann besah sie meine medizinischen Unterlagen. Schließlich sagte sie:

„Ich möchte Sie bitten, sich einen anderen Neurologen an Ihrem neuen Wohnort zu suchen. Ich finde Sie zu wehleidig.“

Daraufhin stand die Neurologin auf und öffnete die Tür.

Ich war perplex. Die Ärztin hatte mir einen Korb gegeben. Damit hatte ich nicht gerechnet. Da die Tür bereits offen gehalten wurde, blieb mir keine Zeit, zu reagieren.

 

Unbestritten: Ich habe nicht nur gute, sondern auch schlechte Eigenschaften. Und natürlich bin ich auch nicht immer froh über meine MS. Aber generell halte ich mir zu Gute, dass ich nicht wehleidig bin.

Nicht den Korb der Ärztin fand ich am Schlimmsten, sondern die Begründung. Diese erschien mir absolut unzutreffend. Aber egal wie unzutreffend ich diese Aussage fand, das Erlebnis hinterließ Spuren. Die vier Neurologen, bei denen ich mich seither in ärztlicher Dauerbehandlung befand, fragte ich beim Ersttermin jeweils schüchtern, ob sie mich als Patientin betreuen würden.

Seelischer Schaden??