meine liebste Yoga-Übung

aufgehender Mittelfinger in der Morgensonne

 

Leider ist meine MS aktiver als mir lieb ist. Deswegen befinde ich mich seit Dezember 2015 auf der medikamentösen Eskalations-Stufe. Das erste Medikament, das ich aus dieser Kategorie bekam, ist zwar sehr wirksam, aber auch sehr gefährlich. Als drastischste Nebenwirkung kann eine Krankheit namens PML (Progressive multifokale Leukenzephalopathie) auftreten. PML endet binnen 3 bis 24 Monaten tödlich.

Als ich mich zum ersten Mal mit den Details meiner Eskalationstherapie beschäftigte und von der Nebenwirkung PML las, war ich geschockt. Sprachlos. Dennoch entschied ich mich damals für die Eskalationstherapie. In der Hoffnung auf mehr Lebensqualität. Und wenigstens zwei schubfreie Jahre (vgl. 7 Wochen vor Tysabri).

 

Es kam, wie es kommen musste. Mitte Februar 2017 spürte ich eine deutliche Verschlechterung. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich stand auf und setzte mich zum Grübeln in die Küche. Nach und nach kam ich mit mir selbst überein, trotz der wirksamen Therapie einen Schub zu haben. Ich beschloss, am nächsten Tag bei meinem ambulanten Neurologen vorstellig zu werden. Zufrieden mit meiner Überlegung kehrte ich zufrieden wieder ins Bett zurück. Ich war mega müde.

Aber: SCHRECK !!!

Plötzlich war ich hellwach. Mein Herz klopfte wild. Mir fiel wieder ein, was ich über PML gelesen hatte. Für den Patienten äußert sich die Krankheit PML mit Symptomen, die den üblichen MS-Symptomen gleichen. Der Patient kann also nicht unterscheiden, ob er einen „normalen“ MS-Schub hat oder ob bei ihm PML ausgebrochen ist. Die Krankheit PML kann nur mittels MRT diagnostiziert werden. Generell gilt es, schnell zu handeln.

Am nächsten Morgen checkte ich früh im Krankenhaus ein. Noch am gleichen Tag wurde eine MRT-Aufnahme meines Schädels gemacht. Entwarnung! Ich hatte „nur“ einen MS-Schub. Puhhh!!

 

 

Ein Jahr später hatte ich ein routinemäßiges Kontroll-MRT.

Neurologen lassen in jährlichem Abstand mit dem bildgebenden Verfahren prüfen, in welchem Zustand das ZNS (zentrales Nervensystem) eines MS-Patienten ist. Ob es Veränderungen gegeben hat und welche Wirkung die aktuelle MS-Therapie zeigt.

Im Anschluss an mein MRT fand eine kurze Rücksprache mit dem Radiologen statt. Währenddessen verglich er die aktuelle MRT-Aufnahme mit der letzten Voraufnahme. Da ich schon diverse Male erlebt habe, dass Radiologen zickig darauf reagieren, wenn der Patient MRT-Voraufnahmen aus „fremden“ Geräten hat, erklärte ich:

„Die letzte MRT-Aufnahme vom Februar 2017 wurde im Krankenhaus gemacht. Ich hatte trotz der Eskalationstherapie eine rapide Verschlechterung. Damals sollte schnell überprüft werden, ob es ein Schub oder eine PML ist.“

Bei der Erinnerung an diesen Tag überkam mich noch immer ein fieser Schauer.

Der Radiologe hingegen horchte auf. Begeistert fragte er:

„Und?? War es PML?“

Trotzig antworte ich:

„Naja - ich sitze ja hier und rede mit Ihnen.“

„Da sterben nicht alle dran. Manche überleben es auch.“

 

Eigentlich hätte mich die Aussage des Radiologen wütend machen müssen. Er hätte sein fachliches Interesse hinten anstellen und auf meine Emotionen Rücksicht nehmen sollen. Tatsächlich tangierte mich diese Dreistigkeit nicht sehr. Schon zu viele wirklich unglaubliche Äußerungen von Ärzten habe ich in meiner MS-Karriere bekommen. Das hat mich abgehärtet. Ich dachte in dem Gespräch mit dem Radiologen einfach gelassen an meine liebste Yoga-Übung:

Aufgehender Mittelfinger in der Morgensonne.